Nachbericht zur Gedenkfeier zum Ende des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren

Ein Gottesdienst, der zum Nachdenken anregte, und interdisziplinäre Reflexion zum ‚Tag der Befreiung‘
Anlässlich des 80. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa und der Befreiung vom Nationalsozialismus lud die Philosophische Fakultät und Fachbereich Theologie am 22. Mai 2025 zu einer Gedenkveranstaltung mit ökumenischem Gottesdienst und anschließender wissenschaftlicher Diskussion ein.
Gedenken in der Neustädter Kirche
Der Auftakt erfolgte um 16.15 Uhr in der Neustädter Kirche mit einem ökumenischen Gedenkgottesdienst. Unter der Leitung der Universitätspredigerin Prof. Dr. Ursula Roth verlasen Kolleginnen und Kollegen des Fachbereichs Theologie eindrückliche Erinnerungen damaliger Zeitzeugen oder auch aus dem eigenen Familienkreis.

Als Gastprediger sprach Reverend Christopher Easthill, Pfarrer der Church of St. Augustine of Canterbury in Wiesbaden und seit März 2025 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK). In seiner Predigt erinnerte er an die Verantwortung der Kirchen in Zeiten politischer Umbrüche und mahnte zu einer Kultur des Erinnerns und der Versöhnung. Musikalisch begleitet wurde die stimmungsvolle Zeremonie von Universitätsmusikdirektor Prof. Dr. Konrad Klek.
Wissenschaftlicher Diskurs im Kollegienhaus
Im Anschluss versammelten sich viele Interessierte im Senatssaal des Kollegienhauses zum wissenschaftlichen Teil der Veranstaltung. Nach der Begrüßung durch Prof. Dr. Andreas Hirsch, Vizepräsident People der FAU, eröffnete Seniorprofessor Dr. Norbert Frei mit seinem Impulsvortrag den Abend. Unter dem Titel „Kriegsende 1945 – Kontinuitäten und Diskontinuitäten in Deutschland“ gab der Zeithistoriker einen Überblick über die Entwicklungen der unmittelbaren Nachkriegszeit – bis hin zur pandemiebedingt kleinen Gedenkfeier zum 75. Jahrestag in Berlin im Jahr 2020.
Gerade weil Zeitzeugen zunehmend fehlen, wird das Gedenken an das Kriegsende umso wichtiger. Der Zeithistoriker erinnerte daran, dass der 8. Mai 1945 lange als Niederlage und Zusammenbruch empfunden wurde. Erst durch die Rede von Bundespräsident Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag 1985 wurde dieser Tag in der öffentlichen Wahrnehmung als „Tag der Befreiung“ vom Nationalsozialismus begriffen – ein Wendepunkt im deutschen Erinnern.
Impulsvorträge und Podiumsdiskussion zur sogenannten „Stunde Null“
Die anschließenden Impulsvorträge der Teilnehmenden verschmolzen mit der Podiumsdiskussion und sorgten für interdisziplinären Austausch: Prof. Dr. Georg Seiderer, Professor für Neuere Bayerische

und Fränkische Landesgeschichte und Volkskunde, rückte den Fokus auf die Nachkriegszeit in Nürnberg, Erlangen und auch speziell die FAU. Er zeigte anhand zahlreicher Beispiele auf, wie personelle und strukturelle Kontinuitäten aus der NS-Zeit bestehen blieben.
Ein besonders dreistes Beispiel stellte Prof. Dr. Bettina Brandl-Risi, Professorin für Theaterwissenschaft mit Schwerpunkt Performance und Gegenwartstheater, vor: den Fall Hans Ernst Schneider. Der ehemalige SS-Hauptsturmführer ließ sich nach Kriegsende für tot erklären und nahm unter dem Namen „Hans Schwerte“ ein neues Leben auf – inklusive Zweitstudium, erneuter Promotion an der FAU, Professur und Rektorat an der RWTH Aachen. Erst in den 1990er-Jahren wurde seine wahre Identität enttarnt.
Im letzten Impulsvortrag rückte Prof. Dr. Stephanie Evert, Professorin für Korpus- und Computerlinguistik, die sprachliche Dimension der Erinnerung in den Mittelpunkt. Sie analysierte die Plenarprotokolle des Deutschen Bundestages von 1949 bis 2024 hinsichtlich der Verwendung des Begriffs „Tag der Befreiung“. Besonders intensiv wurde dieser Begriff in den 1990er-Jahren und erneut zwischen 2010 und 2020 diskutiert – vor allem durch die Fraktionen der PDS, Die Linke und AfD.
Der Bundestag spiegelt öffentliche Diskurse wider oder kann sie anregen. Zeitlich deutet die Häufigkeit auf eine Phase hin, in der sich intensiver mit der deutschen Geschichte auseinandergesetzt wurde. Je nach Partei wird der Begriff eventuell in anderen Kontexten verwendet oder sogar instrumentalisiert.
Durch die Impulsvorträge der verschiedenen Disziplinen war die Veranstaltung abwechslungs- und erkenntnisreich. Nicht nur erinnerte sie an die historischen Ereignisse von 1945, sondern eröffnete auch neue Perspektiven auf die Aufgaben der Erinnerungskultur.
Ein herzlicher Dank gilt Prof. Dr. Norbert Frei für seinen Gastvortrag sowie allen Mitwirkenden der Podiumsdiskussion und am Gottesdienst. Es war ein Gedenktag, der zum Innehalten und Reflektieren einlud.