„Gesundheitsschutz ist ein wichtiges ökonomisches Kernthema“ – Interview mit Prof. Andreas Landmann zur Gesundheitssicherung in Pakistan

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Für Menschen in Europa ist sie selbstverständlich, doch weltweit ist sie für viele Menschen unerschwinglich: die Krankenversicherung. Auch in Pakistan ist bisher keine soziale Gesundheitssicherung gegeben. Um das zu ändern, arbeitet Prof. Dr. Andreas Landmann vom Institut für Wirtschaftswissenschaft an einem Projekt mit, das ambulante medizinische Versorgung absichern möchte. Welche Aufgaben er als Ökonom mit seinem Team im Projekt übernimmt und wie seine Forschungsaufenthalte in Pakistan ablaufen, erzählt er im Interview.

 

Herr Prof. Landmann, Sie arbeiten am Projekt INSPIRE mit und waren dafür auch in Pakistan. Worum geht es bei INSPIRE?

Das Akronym INSPIRE steht für ‘Informing the Social Health Protection Initiative through Rigorous Evidence’ und es geht hierbei um ein Projekt der sozialen Gesundheitssicherung in Pakistan, speziell um die Absicherung ambulanter Leistungen. Bisher gibt es staatliche Krankenhausversicherungen – das war unser erstes Projekt – ambulante Leistungen fehlen jedoch. Dieser Bereich ist komplexer, da die ambulanten Gesundheitsdienstleister kleiner, vielfältiger und schwerer zu kontrollieren sind sowie über weniger administrative Ressourcen und Infrastruktur verfügen. Die Inanspruchnahme von ambulanten Leistungen ist außerdem stärker von Kosten abhängig, das heißt, es kann schnell teuer werden, wenn viel mehr Menschen ‚zum Arzt gehen‘. Das macht es zu einem unwägbaren finanziellen Risiko für den Kostenträger, der die Absicherung zur Verfügung stellt.

 

Volkswirtschaftslehre bringt man nicht als erstes in Verbindung mit Gesundheit. Wie passen die beiden Themen denn zusammen?

Ich bin eigentlich Forscher zu den Themen Risiko und Versicherung, das ist Kernthema der Volkswirtschaftslehre, denn es geht darum, wie man finanzielle Risiken absichert und welche Anreizprobleme und ökonomische Probleme es gibt. Das ist bei jeder Versicherung der Fall, auch im Gesundheitsbereich. Der Verlust der Gesundheit ist weltweit für Menschen das größte finanzielle Risiko – in Entwicklungsländern trifft das ganz besonders zu.

Deswegen ist der Gesundheitsschutz auch so wichtig und ein ökonomisches Kernthema, zum Beispiel mit der Frage, wie sich Armut und Gesundheit gegenseitig bedingen. Natürlich arbeiten wir bei INSPIRE interdisziplinär und haben auch Forschende mit medizinischem Hintergrund und aus dem Bereich Public Health dabei.

 

Was sind Ihre Aufgaben im Projekt?

Ich bin der leitende Principal Investigator, also Sprecher dieses Konsortiums. Damit habe ich einerseits organisatorische Verantwortung und koordiniere die drei beteiligten Hochschulen. Aber ich vertrete das Projekt auch nach Außen und übernehme die Kommunikation mit den Partnern des Projekts, dem Gesundheitsministerium in Pakistan und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Aber meine Hauptaufgabe ist natürlich die Forschungsagenda und die inhaltliche Betreuung meiner Promovierenden und Postdocs.

 

Wie kam es zur Beteiligung?

Zum Thema Gesundheitsversicherung in Pakistan forsche ich bereits seit 11 Jahren. Der Kontakt zur KfW kam aber schon früher zustande, als ich für meine Doktorarbeit einen Preis für praxisrelevante Forschung erhielt. Das habe ich zum Anlass genommen, mit der KfW zu sprechen, was sie im Bereich Gesundheitssicherung planen und das Vorhaben, einen sozialen Gesundheitsschutz in Pakistan aufzubauen, fand ich spannend.

Ab 2014 habe ich mitgearbeitet, die eingangs erwähnte Krankenhausversicherung einzuführen und es lag nahe, dass der ambulante Gesundheitsschutz dazukommen soll –

als weiteres innovatives Pilotprojekt, nachdem der erste Teil politisch sehr erfolgreich war. Wir haben INSPIRE also jahrelang vorbereitet und 2021 ging es offiziell los.

 

Wie sieht die Begleitung des Projekts konkret aus?

Wir machen viel Begleitforschung. Vor der Implementierung, die Ende des Jahres erfolgen soll, messen wir die Bedürfnisse der Bevölkerung und bringen diese Erkenntnisse ein. Ebenso stellen wir die Rahmenbedingungen der Gesundheitsversorger dar. Sobald die Gesundheitssicherung eingeführt ist, geht es dann darum, die Wirkung nachzuweisen und natürlich Verbesserungspotenzial aufzuzeigen.

 

Wie waren Ihre Erfahrungen vor Ort? Pakistan ist ja nicht unbedingt ein Land, das man von Urlaubsreisen kennt.

In einigen Bereichen ist es komplexer – oder auch gefährlicher, wenn man es so direkt sagen möchte. Nicht umsonst sind einige Bereiche des Landes auf dem Risikoradar rot gefärbt. Es gibt aber auch Teile, in denen auch für unsere Begriffe ein normales Leben möglich ist, zum Beispiel in der Hauptstadt Islamabad.

Zum Glück habe ich gute Kontakte vor Ort, auf die ich mich verlassen kann und die mich gut beraten, wo und wie ich mich sicher bewegen kann. Und zum anderen gibt es ganz offiziell das sogenannte „no objection certificate“, also ein Unbedenklichkeitszertifikat. Wenn man reist, muss man angeben, wo und dann braucht man auch je nachdem wo das ist, ein solches Zertifikat, das zeigt, es ist sicherheitstechnisch unbedenklich – oder es wird für Sicherheit gesorgt. Da kriegt man dann schon mal eine schwer bewaffnete Polizeieskorte. Aber so etwas vermeidet man lieber, es ist ein bisschen seltsam und führt zu mehr Aufmerksamkeit als wenn man in einem unauffälligen Auto unterwegs wäre (lacht).

 

Ist es denn unter diesen Voraussetzungen so einfach, mit Menschen in Kontakt zu kommen?

Pakistan ist ein tolles Land mit unglaublich gastfreundlichen Menschen – und ich freue mich jedes Mal aufs Essen! Ich war bereits 12 Mal dort und konnte das Land und die Kultur sehr gut kennenlernen. Das Kennenlernen hat natürlich auch viel mit persönlichen Kontakten zu tun. Und da ist es, wie Sie es ansprechen. Dieses für uns verkomplizierte Reisen bedeutet leider auch, dass es nicht immer so einfach ist, in Dörfer zu reisen, um da spontan mit Menschen zu sprechen. Die Interviews mit Fokusgruppen müssen immer gut organisiert sein. Und dieses ganz direkte Kennenlernen ist dann nicht so leicht. Aber die Partnerinnen und Partner des Projekts lernt man sehr gut kennen.

 

Was sind die nächsten Schritte?

Einen wichtigen Schritt haben wir schon gemacht: ein sogenanntes ‚needs assessment‘ erstellt, also eine Bedarfsanalyse für den ambulanten Gesundheitsschutz aus Bevölkerungsperspektive. Jetzt sind wir gerade dabei, die Anbieterseite, also die ambulanten Krankenhausstationen, die Ärztinnen und Ärzte und die lokalen Gesundheitsstationen zu evaluieren. Also wir schauen, ob und wie sie in der Lage sind, diese Leistungen zur Verfügung zu stellen. Das wird ein sogenannter ‚policy brief‘, eine Kurznotiz für unsere Partner. Damit sind wir fast fertig.

Außerdem werden wir noch eine Datenerhebung durchführen, einerseits auf Haushaltsebene und andererseits auf Providerebene, um dann relativ kurz vor der Einführung nochmal ein Bild zu haben. Die ambulante Gesundheitssicherung soll dieses Jahr implementiert werden und wir begleiten das Projekt auch danach, um zu untersuchen, welche Veränderungen ausgelöst werden oder nötig sind.

Das Projekt ist eine Basis, auf der man sehr gut aufbauen kann. Wir haben schon einen weiteren Grant eingeworben und ich sehe noch viel Potenzial für weitere Forschung in diesem Bereich.

 

Ein tolles Projekt und vielen Dank für das Interview!

Hier geht es zum Blog des Projekts: https://blogs.fau.de/inspirepakistan/

Weitere Förderung bewilligt

Von DEval – Deutsches Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat Prof. Landmann gemeinsam mit Prof. Helmsmüller von der Hochschule-Bonn-Rhein-Sieg eine Förderung erhalten. Im eingeworbenen Projekt „Impact evaluation of the OPD health insurance in Northern Pakistan“ werden sie eine rigorose quantitative Messung von Effekten der ambulanten Gesundheitsversicherung vornehmen. Der Förderzeitraum läuft von 1. März 2023 bis 30. September 2025.

Weitere Informationen zur DEval RIE Förderung:

https://rie.deval.org/de/rie-foerderprogramm/das-rie-foerderprogramm/foerderprogramm