Großes Medienecho auf Habilitationsschrift zu steinzeitlichen Radspuren von Prof. Dr. Doris Mischka

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Die Fundstelle in Flintbek (Foto: Dieter Stoltenberg (Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein)

Die kürzlich als Buch veröffentlichte Habilitationsschrift von Prof. Dr. Doris Mischka erregt derzeit große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, denn sie dokumentiert Radspuren in Norddeutschland, die als die ältesten der Welt gelten.

Die Publikation ‚Das Neolithikum in Flintbek. Eine feinchronologische Studie zur Besiedlungsgeschichte anhand von Gräbern‘ von Prof. Dr. Doris Mischka ist Teil einer vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) koordinierten Publikationsreihe zu einem DFG geförderten Schwerpunktprogramm. (Mehr dazu unter: http://www.monument.ufg.uni-kiel.de/index.html).

Die Wagenspuren, die auf etwa 3400 vor Christus datieren, finden sich auf einem Gräberfeld bei Flintbek bei Kiel, auf dem sich dutzende Grabmonumente aus der Jungstein- und Bronzezeit sichelförmig aneinanderreihen.

Prof. Dr. Doris Mischka, Professur für jüngere Ur- und Frühgeschichte an der FAU (Foto. C. Mischka)

Bei Ausgrabungen wurden dort sieben sogenannte Langbetten (langrechteckige Grabhügelform) mit Großteils mehreren Großsteingräbern, sowie 14 Grabhügel.

Mit Hilfe von Radiokohlenstoffdatierungen erarbeitete Mischka die zeitliche Abfolge von Bau- und Nutzung der Gräber. Sie fand heraus, dass das Gebiet bereits vor etwa 5800 Jahren für erste Bestattungen genutzt wurde und sich das für eine lange Zeitspanne fortsetzte. 500 Jahre später veränderte sich die Architektur der Gräber von Langbetten mit einfachen Kammern zu komplexeren und größeren Steinkammern der Ganggräber, die von da an für weitere Jahrhunderte als kollektive Bestattungsorte dienten. Die Datierung der Wagenspuren (wie auch von frühen Hakenpflugfurchen) gelang durch ‚Einbettung‘ in die Ausbaustufen des Langbetts. Die schnelle Überdeckung durch den Grabhügel führte auch überhaupt erst zur Erhaltung der Spuren. Die neuen 14C-Datenserien erlauben damit erstmals die Präzision der zeitlichen Einordnung. Die Spuren selbst, unscheinbare, braune Streifen im Boden weisen eine ‚Spurbreite‘ auf, die von Achsfunden bekannt sind, wie sie unter anderem in den Mooren Norddeutschlands oder im Laibacher Moor in Slowenien gefunden wurden. Die Forschenden halten es für hochwahrscheinlich, dass für den Bau der Strukturen in der Flintbeker Sichel die damals neue Technologie der Nutzung von Rädern und Wagen zum Einsatz kam – und das bereits um 3400 vor Christus.

Professorin Mischka habilitierte 2012 mit der jetzt erschienenen Publikation an der Kieler Universität. Sie dokumentiert darin die gesamte Genese und Entwicklung der Flintbeker Monumente. Durch sogenannte 14C-Analysen, mit denen sich das Alter von organischen Materialien bestimmen lässt, konnte das zeitliche Verhältnis der einzelnen Monumente zueinander, diverse Um- und nachbauten sowie einzelne Bestattungen auf wenige Jahrzehnte genau datiert werden.

Damit findet sich in Norddeutschland der früheste Nachweis der Nutzung von Rädern und Wägen, die in vielen anderen Regionen Europas und Südwestasiens erst im späten vierten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung anzutreffen ist. Die Technologie wurde somit vielleicht nicht im Nahen Osten erfunden, wie bislang angenommen.

Zwar gab es 2011 schon eine Publikation dazu, doch hat die Studie nun erst durch Erscheinen der Monografie die Aufmerksamkeit außerhalb der Fachmedien erregt, denn diese Erkenntnisse sind tatsächlich weltverändernd.

Veranstaltungshinweis

FAU Scientia am 25. Mai 2022:

Siedlungs- und Landschaftsarchäologie am Beispiel von rumänischen Cucuteni-Siedlungen der
Kupferzeit
Prof. Dr. Doris Mischka Institut für Ur- und Frühgeschichte

Mittwoch 14.00 – 16.00 Uhr
Aula im Schloss, Schlossplatz 4, 91054 Erlangen
Anmeldung: https://www.studon.fau.de/crs4388508_join.html oder per Mail an scientia@fau.de.